Wer „Monty“, den sechsjährigen Pinto-Wallach, treu hinter seinem Besitzer herlaufen sieht, ahnt nicht, dass das Pferd noch vor einer Stunde als unkontrollierbarer Verbrecher, Steiger und Beißer gefürchtet war. Was die Verhaltensveränderung in so kurzer Zeit bewirkt hat, erklärt Pferdepsychologe Fred Rai so: „15 Minuten genügen, um das Leittier seines Pferdes zu werden, unter dem sich dieses geborgen fühlt und bereit ist, ihm freiwillig zu gehorchen!“
Eine Masterarbeit an der Technischen Universität München-Weihenstephan belegt es jetzt eindeutig: Die gewaltfreie Ausbildungsmethode nach Fred Rai ist Pferde-schonend und senkt den Anteil von Stresshormonen. Dabei wird der Mensch zum Leittier seines Pferdes, unter dem es sich sicher und geborgen fühlt. Der Student Korbinian Arzberger bestätigt in seiner Masterarbeit die von Pferdepsychologe Fred Rai entwickelte und schon tausendfach erfolgreich praktizierte Dominanzarbeit.
Rai ist unter anderem auch als Dozent für Psyche und Verhaltensweise der Pferde an den Universitäten München-Weihenstephan und Stuttgart-Hohenheim tätig. Arzberger ist Student der Agrarwissenschaften an der TUM-Weihenstephan. In seiner mehr als 200 Seiten umfassenden Masterarbeit hat er untersucht, warum die erfolgreiche Ausbildungsmethode nach Fred Rai für Pferde stressarm ist. Angeleitet und betreut wurde diese wissenschaftliche Arbeit von der führenden Verhaltensforscherin für Pferde, Dr. Margit Zeitler-Feicht, von der Uni München-Weihenstephan. Fred Rai besitzt seit 50 Jahren eigene Pferde, zurzeit 40 Tiere. Seine Erkenntnisse, dass Pferde keinen Schmerzschrei haben, veranlassten ihn, das Verhalten dieser Tiere viele Jahre lang zu erforschen. Er lebte inmitten seiner 25-köpfigen Pferdeherde in der Wildnis seiner 84 Quadratkilometer großen Ranch in Arizona und wurde bald als Leittier in der klarlinigen Hierarchie dieser Herdentiere respektiert.
Er erkannte, dass in der 70 Millionen langen Entwicklungsgeschichte der Pferde diese Tiere nur mit Feinden, also Wölfen und Pumas, und mit Artgenossen konfrontiert wurden. Das bedeutet, dass das Pferd angeborenermaßen nur ein Freund und ein Feindbild kennt. Auch der Mensch, der sich vor 7.000 Jahren in das Leben der Tiere drängte, wird vom Pferd je nach seinem Verhalten hier eingeordnet. Er kann durch Schmerzeinwirkung zum Puma oder aber für das Pferd zum Artgenossen werden, der dann den Gesetzen des Herdenverhaltens unterliegt. Dank seiner psychologischen Ausbildung entdeckte Fred Rai das reiche Gefühlsleben der Pferde, ohne das ein soziales Verhalten der Tiere nicht möglich ist. Darauf aufbauend hat er seine Ausbildungsmethode zur Erreichung der Dominanz auf der Ebene der Gefühle entwickelt. Dies dokumentierte er in vier Fachbüchern. Dass seine Bodenarbeit nun auch wissenschaftlich als besonders tiergerecht und schonend eingestuft wird, ist für den Pferdefreund Bestätigung und Anerkennung seines Lebenswerks zugleich.
Gearbeitet wurde mit zehn Pferden, vom braven Schulpferd bis hin zum gefährlichen Steiger. Der Student Korbinian Arzberger nahm Speichelproben des Pferdes, maß die Herzfrequenz aller Versuchspferde und ebenso die Herzfrequenz-Variabilität, also die Veränderung der Zeit zwischen zwei Herzschlägen. Seine Messungen führte er vor der Ausbildung mit Fred Rai, währenddessen, danach und an Ruhetagen durch.
Anhand von Videoaufzeichnungen dokumentierte Korbinian Arzberger das Ausdrucksverhalten der Pferde über alle Übungssequenzen von Entspannung über Aufmerksamkeit, Irritation und Angst bis hin zu Panik. Dies ermöglichte ihm eine Auswertung anhand der Mimik und der Körperhaltung sowie der Stellung des Schweifes und somit eine Einordnung in verschiedene Displays.
Das Ergebnis war eindeutig: Alle Pferde zeigten nach der Dominanzarbeit zu 100 Prozent alle äußeren Anzeichen von Entspanntheit, also seitlich abwärts hängende Ohren, eine entspannte Maul- und Kinnpartie, lockere Muskulatur und den Schweif leger pendelnd. Abgesichert wurden die Verhaltensbeobachtungen zusätzlich über physiologische Daten. Dazu zählte unter anderem das Speichelkortisol, das als das bekannteste Stresshormon gilt. In jeder Arbeitseinheit entnahm der Student Speichelproben und ließ sie untersuchen. Das Ergebnis: Der Kortisolanteil ist bei allen Pferden nach der Arbeitseinheit im Schnitt um rund ein Drittel abgefallen, was die beobachtete Entspanntheit bestätigt. Auch die gemessene anfängliche Herzfrequenz von 106 Herzschlägen pro Minute (Problempferd) bis 65 Herzschlägen bei ruhigen Pferden, fiel nach erfolgreicher Lektion auf den Ruhewert von durchschnittlich 44 Herzschlägen pro Minute.
Da alle Versuchspferde vergleichbare Ergebnisse zeigten, bestätigt Verhaltensforscherin Dr. Zeitler-Feicht: „Die Bodenarbeit nach Fred Rai ist besonders tiergerecht. Das Spezielle an dieser Masterarbeit sind die vier Säulen, auf denen die Ergebnisse fußen: Denn neben den reinen Beobachtungen hat der Student diese auch anhand von physiologischen Daten untermauert“. Eine vorangegangene Masterarbeit von Franziska Blümel beweist unter lerntheoretischen Gesichtspunkten, wie Fred Rai bei weiteren zehn Pferden im Schnitt in 14,5 Minuten zum Ranghöheren, also zum Leittier des Pferdes, wurde.
- Fred Rai